Der Bund hat am 10. Juni 2022 im Rahmen der Landeskulturreferent*innenkonferenz ein Dokument mit dem Titel „Fair Pay-Strategie der Gebietskörperschaften“ vorgelegt. Unterzeichnet haben alle Bundesländer, der Städtebund und der Gemeindebund. Die Interessenvertretungen wurden nicht beteiligt, wir appellieren dennoch, die Stakeholder*innen bei der Erstellung der Ausstehenden Umsetzungsstrategie noch einzubinden. 

Das Zustandekommen dieser Einigung beruht auf der im Regierungsprogramm 2020 -2024 auf Seite 38 versprochenen: Entwicklung einer gemeinsamen Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden zur Umsetzung der Kulturstrategie „Fairpay“ 

An der Ausgestaltung der „Fair Pay-Strategie“ waren die Interessenvertretungen nicht beteiligt.

Zwar können unsere Kommentare zu einem bereits unterzeichneten Papier auf dieses nun keinen Einfluss mehr haben, wir verbinden es aber mit dem Appell, die Stakeholder*innen bei der Erstellung der noch ausstehenden Umsetzungsstrategie einzubinden.

SANFTER START – MIT POTENZIAL

Ein präziser Blick sowohl auf die formale Struktur als auch auf die Inhalte ist Voraussetzung, um das Potenzial eines tatsächlichen Reformansatzes zu erkennen.

Bei diesem „Strategiepapier“ handelt es sich nicht um eine klare Strategie mit Zeitplan und Maßnahmenkatalog, geht es doch in diesem Dokument noch(!) nicht um die tatsächliche Umsetzung sondern um eine Vorstufe in Form einer Willenserklärung der beteiligten Fördergeber*innen.

Wir befinden uns auf dem Kompetenzfeld eines föderalen Systems in dem die Verfassung die Zuständigkeit für Kulturförderung primär den Ländern zuschreibt. Der Bund kann hier nur in koordinierender Funktion tätig werden und den Prozess zur Erstellung einer für alle Beteiligten konsensualen Grundlage, anführen. Das vorliegende Dokument spielt daher auf dem Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners: Fairer, aber nicht fair, und keine Verpflichtung zur Reform(diskussion) So spiegelt jeder Absatz wider, wozu sich das unengagierteste Bundesland oder auch der Bund zum jetzigen Zeitpunkt gerade noch verpflichten wollte.

DIE BUNDESLÄNDERTABELLE: SALZBURG IN FÜHRUNG 

Die Vorreiterrolle, die Salzburg beispielgebend eingenommen hat und an der sich alle Gebietskörperschaften orientieren können, sei hier hervorgehoben. Seit 2021 setzt das Land Salzburg bereits ein fertiges Fair Pay-Modell in Kulturvereinen um und sucht aktuell nach Lösungen, um Fair Pay im gesamten Fördersystem nachhaltig zu verankern. Dieses Engagement von Politik und Verwaltung und die Bereitschaft, die Kooperation mit der Interessenvertretung und Kulturakteur*innen ernst zu nehmen, haben zu dem erfolgreichen „Salzburger Modell“ geführt. Wir empfehlen die Nachahmung des bisher Erreichten sowie Ableitungen aus den noch nicht zu Ende geführten Arbeitskreisen für Projekt- und Einzelfinanzierungen.

Ein Blick in die anderen Bundesländer zeigt, dass sich die Steiermark bereits auf den Weg gemacht hat und eine Fair Pay-Reform mit seiner Kulturstrategie verschränkt.

Tirol und Vorarlberg starten soeben ihre Prozesse im Austausch mit den Interessenvertretungen.

Auch in Oberösterreich gibt es erste positive Signale, an einer Umsetzung von Fair Pay zu arbeiten.

Kärnten und Wien verharren im Irrtum ihren Beitrag bereits geleistet zu haben. Hier wurde in einem Teilsegment das Budget für faire Bezahlung angehoben, was nur dazu geführt hat, dass fair bezahlte Künstler*innen mit unfair bezahlten zusammenarbeiten müssen.

Aus Niederösterreich und Burgenland sind uns keine Bemühungen bekannt.

AUFTAKT ZUR NÄCHSTEN RUNDE

Wer das Regierungsprogramm genau liest, erkennt, dass die aus zwei Teilen bestehende Aufgabe: Entwicklung einer gemeinsamen Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden zur Umsetzung der Kulturstrategie „Fairpay“, nur zum Teil erledigt wurde. Die „Kulturstrategie Fair Pay“ wurde vorgelegt. Es fehlt nun die „gemeinsame Strategie (…..) zur Umsetzung der Kulturstrategie“.

Ob diese gemeinsame Umsetzungsstrategie im Zusammenspiel mit allen Gebietskörperschaften gleich aussehen muss, darüber schweigt sich das Regierungsprogramm aus und auch der Punkt 2 im Strategiepapier deutet eher auf unterschiedliche Abstimmungsmodelle hin:

2. Die Gebietskörperschaften entwickeln ihre Fair- Pay-Modelle unabhängig (….) aber verfolgen dabei eine gemeinsame Strategie.

Die Aufgabe ist also noch nicht erledigt. Das Potenzial liegt in den Umsetzungsmodalitäten.

VON FEHLENDEN UND IRRITIERENDEN ZUTATEN 

In der Präambel der „Fair Pay Strategie“ ist zu lesen: Unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Voraussetzungen bekennen sich die österreichischen Gebietskörperschaften zu einer gemeinsamen Fair-Pay-Strategie, die fairere Bezahlung in Kunst und Kultur zum Ziel hat. 

Fair- fairer – am Fairsten? Wurde der Kulturbetrieb bisher fair bezahlt und jammert jetzt um ein bisschen mehr Fairness? Nein! Die Kulturarbeiter*innen und Künstler*innen kämpfen seit Jahrzehnten um die Einhaltung von Mindeststandards und nicht um ein wenig mehr von kaum etwas.

Neun Punkte listet die Fair Pay Strategie, darunter auch der schon oben zitierte Punkt 2. Die Gebietskörperschaften entwickeln ihre Fair- Pay-Modelle unabhängig auf Basis des Fairness-Codex, aber verfolgen dabei eine gemeinsame Strategie.

Im Fairness Codex haben sich Bund und Länder zu Transparenz und Nachhaltigkeit verpflichtet. Daraus ließe sich ableiten, dass die zukünftigen Fair Pay Modelle eine nachhaltige Veränderung der Förderpraxis bewirken werden und in ihren Ausformulierungen transparent und nachvollziehbar sind. Im besten Falle – wie in den Bundesländern Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg – werden die Interessenvertretungen auch zur Ausarbeitung der Umsetzungsstrategie eingeladen und als Kooperationspartnerinnen anerkannt.

Welche „gemeinsame Strategie“ hier zu verfolgen ist, bleibt ungeklärt, da kein Referenzmodell für eine Strategie im Dokument genannt wird.

Am 23. Juni 2022 soll ein Arbeitsgespräch zwischen IGs und dem Staatssekretariat offene Fragen behandeln. Wir bringen unsere Rezepte mit an den Verhandlungstisch.

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ANMERKUNGEN ZU EINZELNEN PUNKTEN DES STRATEGIEPAPIERS

Sehr kritisch sind folgende Abschnitte zu bewerten: 3. Die Ausschüttung von Fair-Pay-Mitteln berücksichtigt auf Basis bestehender Förderungsrichtlinien folgende Aspekte: 

a. Qualität und Professionalität der künstlerischen/kulturellen Produktion und Tätigkeit.

Jede Förderung beruht auf der Qualität und Professionalität der künstlerischen/kulturellen Produktion und Tätigkeit Es gibt (eigentlich) keine Kulturförderung ohne Qualität und Professionalität. Welche besondere Qualität und Professionalität ist also hier angesprochen? Es stellt sich dann doch sofort die Frage ob Projekte mit Qualität aber ohne Professionalität – oder umgekehrt – ab jetzt Förderungen aber ohne Fair Pay bekommen. Zu vermuten ist, dass mit dieser irritierenden Formulierung die alte Förderpraxis gerettet werden soll: Förderungen werden in beliebiger Höhe aber nicht in Antragshöhe bewilligt. Als Begründung werden mangelnde Qualität oder Professionalität herangezogen: Ihr Projekt bringt nur halbe Qualität, deshalb werden Sie nicht fair bezahlt.

5. Die Ausschüttung von Fair-Pay-Mitteln wird primär für die Anhebung von Gehältern im Rahmen des bestehenden Beschäftigungsausmaßes und für Honorare zweckgewidmet. 

Hier ist der Nachhaltigkeitsgedanke verloren gegangen, und die Arbeisrealitäten des Kulturbetriebes werden negiert. Kein Projekt, keine Organisation arbeitet jedes Jahr mit genau den gleichen Strukturen. Die Freie Szene ist kein Amtshaus! Bereits nach der ersten Antragsrunde führt diese Ausrichtung zu Ungleichheiten innerhalb einer Organisation und innerhalb der auftretenden Künstler*innen. In Konsequenz geht der Fair Pay Gedanke bereits nach einem Jahr verloren. Das ist nachvollziehbar und vorhersehbar, hier wird eine Sollbruchstelle implementiert, die Fair Pay bereits nach einem Jahr in die Reparaturwerkstatt schickt.

Bei genauer Betrachtung ergibt auch Punkt 8: Die zur Verfügung gestellten Mittel sollen einen Beitrag zur faireren Bezahlung innerhalb der geförderten Organisation leisten. Vorrangig sollen jene Honorare und Gehälter bedacht werden, die einen hohen Fair Pay Gap aufweisen, nicht wirklich Sinn. Wenn Organisationen fair gefördert werden, können sie auch fair bezahlen. Wenn Anträge 35% erhöhte Energiekosten ausweisen und 20% Fair Pay Gap und die Fördergeber*innen sich nur zu einer Erhöhung des Fair Pay Gaps entschließen, wird die Organisationen entweder zusperren oder die Angestellten und Künstler*innen werden mit ihren Gehältern und Honoraren die Energiekosten bezahlen und damit noch prekärer arbeiten als bisher.

Unter dem Abschnitt „Prozess und Weiterentwicklung“ ist zu lesen: 1. Weiterführung der konstruktiven Gespräche zu Fair Pay im Rahmen des Fairness-Prozesses, zum Beispiel bei einem jährlichen „Runden Tisch“ zum Thema „Fairness in Kunst und Kultur“ mit Gebietskörperschaften und Interessengemeinschaften im Bereich Kunst und Kultur.

Auch wenn es bisher nur auf Landesebene konstruktive Gespräche zu Fair Pay mit den Interessenvertretungen gab, hoffen wir natürlich auf solche mit dem Bund. Runde Tische sind in der Regel allerdings keine Arbeitsformate sondern dienen dem Informationsaustausch.

Etwas mehr an Einbindung darf man sich als Interessenvertretung bei einem weiter unten angeführten 3. Bekenntnis zu Monitoring und Evaluierung doch erwarten.

Wir betonen daher nochmals: Nur eine faire Förderpraxis führt zu fairen Gehältern. Erst wenn Antragsssumme und Genehmigungssumme übereinstimmen werden Gehälter fair. Wenn allerdings die Bezahlung nur fairer aber nicht fair sein soll, dann hat die Fair Pay Strategie versagt.