Im März 2022 wurden vom BMKOES Datenerhebungsblätter für die Beantragung von Fair Pay Zuschüssen online gestellt. Dies war der erste verwaltungstechnische Umsetzungsschritt, den das Ministerium zur Fair Pay-Strategie unternahm. Die diesbezüglichen Anfragebeantwortung des Kulturministeriums lässt noch viele Fragen offen.

Mangels Einbindung der Interessenvertretungen in Konzept und Ausgestaltung der Datenerhebungsblätter, entstand in der Abwicklung ein großer Informationsbedarf und die anschließende intransparente Vergabe erwies sich als reformbedürftig.

Zu diesen und einigen weiteren Problemfeldern nahm die parlamentarische Anfrage der SPÖ vom 27.4.2022 Bezug. Die Antworten liegen seit 27.6.2022 vor.

Verbesserung der Pilotphase durch interne Evaluation ? 

Um die sogenannte Pilotphase in eine funktionierende Vergabepraxis überzuführen, bedarf es, neben der Einbeziehung der Erfahrungen der Betroffenen einer professionellen Evaluation. Eine lernende Organisation mit offener Fehlerkultur, kann aus den Untersuchungsergebnissen die nötigen Maßnahmen ableiten.

Die Ausführungen zu den Fragen 16, 17 und 18 erlauben aber keinen positiven Ausblick auf einen transparenten, strukturierten oder gar partizipativen Evaluierungsprozess:

16: Wann ist die Pilotphase abgeschlossen? 

17: .Welche Pläne gibt es nach der Pilotphase? 

18: Wird es eine Evaluierung der Pilotphase geben? Wenn ja, wann? Wer wird die Evaluierung durchführen? 

Antwort des BMKOES auf alle drei Fragen:

Die Pilotphase wird voraussichtlich im 4. Quartal abgeschlossen sein. Die Ergebnisse werden bereits laufend von den Fachabteilungen evaluiert. 

und bei Frage 10 ist nachzulesen: ….Gibt es einen längerfristigen Entwicklungsplan? Wenn ja, wie sieht dieser aus?

Antwort des BMKOES: Ziel ist es dabei, gemeinsam mit allen Beteiligten den Fair-Pay-Gap immer weiter zu minimieren. …. Die nächsten Schritte werden nach einer finalen internen Beurteilung der Pilotphase bekannt gegeben. 

Tatsächliche Beteiligung wird in der Kulturpolitik nicht gelebt

Einige der Antworten leiten in ihrem Interpretationsspielraum geradezu in die falsche Richtung. Vor allem dort, wo es um die Einbindung von Expert*innen aus der Zivilgesellschaft geht.

Wie schon in unserem Artikel If You Are Not At The Table, You Are Probably On The Menu ausgeführt wurde, gelang es den Interessenvertretungen nicht an den Verhandlungstisch geladen zu werden. Es gab immer wieder sehr nette Dialogveranstaltungen, bei denen wir darlegen konnten wo aktuell oder seit zwanzig Jahren der Schuh drückt. Aber es gab keine weiteren, vertiefende Gespräche.

In diesem Lichte sind auch die Antworten auf die Fragen 14 und 15 der parlamentarischen Anfrage zu verstehen, wenn es heißt:

Frage 14: Wurden die Interessenvertretungen in die Ausarbeitung der einzelnen Umsetzungsschritte der Pilotphase einbezogen? Wenn ja, bitte geben Sie an, welche Interessenvertretungen zu welchen Fragestellungen in welchem Zeitraum gemeinsam mit dem BMKÖS zu Fair Pay gearbeitet haben. Wenn nein, warum nicht? 

Antwort des BMKOES: Die Interessengemeinschaften waren seit Herbst 2020 in den gesamten Fairness-Prozess in der Fokusgruppe Fairness involviert. Die Entsendung der verschiedenen Vertreter:innen der Interessengemeinschaften erfolgte durch den Kulturrat Österreich. 

Die Umschiffung des Unterpunktes „zu welchen Fragestellungen mit wem gearbeitet wurde“, mit Hilfe eines Verweises auf eine nebulöse „Involviertheit“ in einen diffusen Fairness-Prozess, ist die Umschreibung der Vermeidung sich mit Expert*innen an einen Arbeitstisch zu setzen.

Das gleiche Ausweichmanöver wurde bei Frage 15 angewendet:

Frage 15: Warum wurde die Expertise der Stakeholder bei der Konzeption der Pilotphase nicht rechtzeitig abgerufen? 

Antwort des BMKOES: Die Fachabteilungen und das Büro der Staatssekretärin sind in ständigem Austausch mit den Stakeholdern und können so auf deren Expertise zugreifen. 

Dem „können“ in der Antwort des BMKOES ist ein bedeutungsschweres „t“ entkommen. Denn tatsächlichen „könnte“ das BMKOES auf die Stakeholder und deren Expertise zurückgreifen, sie verzichtete bisher aber darauf.

Nur eine faire Förderpraxis führt zu fairer Bezahlung – die Berechnungsgrundlage

Das dringlichste Problem in der Umsetzung – die im besten Fall abgestimmt mit den anderen Gebietskörperschaften erfolgen soll – ist die Einigung auf einen für alle gültigen Berechnungsschlüssel. Um den Fair Pay Gap zu schließen, muss jede fördernde Gebietskörperschaft entsprechend ihrer prozentuellen Beteiligung an den Gesamtkosten ihre Zuschüsse erhöhen. Allerdings vertritt das BMKOES die Meinung, die Kulturinitiativen seien ebenfalls in der Lage ihre Einkünfte entsprechend anzuheben um sich an der Schließung des Fair Pay-Gaps zu beteiligen. Das liest sich in der Anfragebeantwortung dann so:

Frage 7: Entgegen der nachvollziehbaren Forderung der Interessenvertretungen, die Subventionen auf Bundes, Landes und Gemeindeebene prozentuell entsprechend ihrer Verteilung anzuheben, zieht der Bund die Gesamteinnahmen (alle Förderungen plus Erträge, Spenden und sonstige Beiträge) als Berechnungsgrundlage heran und reduziert so seinen Anteil am rechnerischen Fair-Pay-Gap bzw. Fair-Pay-Zuschuss. Damit werden Institutionen, die Mitgliedsbeiträge einheben, Tickets verkaufen oder Sponsoren finden, nachhaltig benachteiligt. Aus welchem Grund wurde diese Berechnungsmethode gewählt? 

Frage 8: Wie soll es den Kulturinstitutionen gelingen, die Einnahmen aus Mitgliedbeiträgen oder dem Ticketverkauf analog zu den Bundesmitteln zu erhöhen, um Fair Pay zu erreichen? 

Antwort des BMKOES auf beide Fragen: Die meisten kleineren Initiativen und Organisationen der Freien Szene sind budgetär zu einem sehr hohen Anteil von Förderungen abhängig. Der selbst erwirtschaftete Teil der Einnahmen ist daher in vielen Fällen gering. Bei größeren Institutionen und Organisationen, die zum Teil beträchtliche Einnahmen erwirtschaften, ist es angemessen, dass diese ergänzend auch innerbetriebliche Maßnahmen zur faireren Bezahlung von Mitarbeiter:innen setzen……

Dies kann bedeuten, dass bei Vereinen mit geringen Einnahmen auch der verbleibende Fair Pay-Gap so gering ist, dass das BMKOES den Einkommensverlust als vernachlässigbar einstuft. In der Freie Szene wird dann eben mal weniger fair bezahlt.

Zusätzlich entstehen dadurch auch innerbetriebliche Schieflagen, verstärkt durch ein unsolidarisches Subventionsmodell wie es die Stadt Wien betreibt (das hoffentlich von keinem anderen Bundesland übernommen wird) bei dem an Künstler*innen Honoraruntergrenzen ausbezahlt werden müssen, die Kulturarbeiter*innen in der gleichen Institution aber weiterhin unter den Empfehlungen bleiben.

Wenn große Institutionen innerbetriebliche Umverteilungen vornehmen sollen, dann ist das eine dort zu diskutierende Sache. Diese Argumentation aber auf die Bedingungen in der Freie Szene anzuwenden, zeugt von Unkenntnis der Arbeitsrealität in diesem Bereich. Bedeutet diese Aussage doch, dass die Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen für ihre unwürdige Arbeitssituation zu einem Teil selbst verantwortlich sind, da sie es bisher verabsäumt haben ordentlich zu wirtschaften und ihre Einnahmen zu erhöhen.

Wird die Regierung Fair Pay noch umsetzen ?

Das BMKOES hat die Interessenvertretungen zu Arbeitsgesprächen eingeladen, die noch im Sommer stattfinden werden. Wir sehen darin eine Chance unter Einbeziehung der Expertise der Stakeholder die Förderstrukturen auf faire Grundlagen zu stellen. Die inhaltliche Arbeit dazu kann nach zwei Jahren Fairness-Prozess auf Bundesebene hoffentlich endlich beginnen.