Die IG KIKK hat mit einer Basisdatenerhebung die Rahmenbedingungen der freien Kulturarbeit in Kärnten erhoben. Das Ergebnis zeigt eine Verschärfung des Prekariats und das in einer Zeit, in der die Corona-Krise den Kunst- und Kulturbereich stark trifft. Ein Interview mit Vorstandsvorsitzender Alina Zeichen.

Patrick Kwasi: Fällt das Gedenkjahr 100 Jahre Volksabstimmung ins Wasser oder findet es angesichts der Lockerungen größtenteils statt?

Alina Zeichen: Das Gedenk- oder Jubiläumsjahr findet größtenteils statt. Die Lockerungen haben früh genug begonnen, sodass möglichst viele Projekte realisiert werden können und manch andere Projekte sind bereits ins nächste Jahr verlegt worden.   


Kwasi: Die Situation im Kulturbereich war ja davor auch schon nicht unbedingt „kamot“. Ihr habt gerade in einer Basisdatenerhebung erhoben, unter welchen Bedingungen gearbeitet wird. Wie seid ihr das angegangen? 

Zeichen: Die IG KIKK hat im Jahr 2019 damit begonnen, zu den teilnehmenden Kulturinitiativen zu fahren, also vor Ort die Befragung durchzuführen. Dabei haben wir nicht nur unsere Mitglieder befragt, sondern versucht, möglichst viele Initiativen miteinzubeziehen. Die qualitativen Interviews dauern ca. 1,5 Stunden und lehnen sich immer an den Zahlen des Vorjahres an. Im November konnten wir mit der Auswertung beginnen. 


Kwasi: Was habt ihr da erhoben und zu welchen Ergebnissen seid ihr gekommen?

Zeichen: Die Basisdatenerhebung war sehr umfangreich und umfasst sehr viele verschiedene Themen, unter anderem auch die Personal- und Finanzsituation. Ich gehe auf diese zwei Punkte besonders ein, weil die auch in der Covid-Pandemie besonders relevant sind. Die Personalsituation sieht so aus, dass nur ein ganz kleiner Anteil der Menschen, die in Kärnten Kulturarbeit leisten, auch über Vollzeit-Dienstverhältnisse verfügen. Bei den meisten handelt es sich um kurzfristige Teilzeitbeschäftigungen oder Arbeiten auf Honorarbasis. 
Verglichen mit der Covid-Pandemie, bei der Hilfsmaßnahmen im Sinne von Kurzarbeit gesetzt wurden, muss man sich vor Augen halten, dass dieses System nicht greift, weil nur der geringste Teil von Kulturarbeiter*innen über ein Dienstverhältnis verfügt, das auch kurzarbeitsfähig ist. Sie können sich erst gar nicht dafür anmelden. 
Das zweite Problem ist die Finanzsituation. In Kärnten haben die Kulturinitiativen einen hohen Eigendeckungsgrad. 55% der Einnahmen werden selbst lukriert und das vor allem über Eintrittsgelder. Die fallen nun aus, weil nicht veranstaltet werden konnte. Wenn man den Eigendeckungsgrad näher betrachtet, entdeckt man auch die Krux im Detail. Der ist nämlich so hoch, da die Förderstrukturen in erster Linie Projekte fördern. Auch bei Initiativen, die Ganzjahresförderungen bekommen, wird diese innerhalb des Jahres für die Projekte vergeben und nicht für Overheadkosten. Das heißt, dass die Personalkosten von den Kulturinitiativen selbst getragen werden müssen, was auch bedeutet, dass es sich um Kosten handelt, bei denen man am ehesten spart, um den Betrieb am Leben zu halten. Das führt in eine unfreiwillige Ehrenamtlichkeit und eine unfreiwillig sehr prekäre Lebenssituation. 

Wenn man Personal- und Finanzstruktur nun miteinander vergleicht, erkennt man, dass es auch deshalb so wenig Beschäftigte gibt, weil die Finanzsituation so schwach ist, dass die Dienstverhältnisse nicht leistbar sind. Wenn man nun den Kulturbericht des Landes Kärntens heranzieht und sich schaut, wie stark das Land einzelne Kulturinitiativen fördert, so sieht man eine durchschnittliche Jahresförderung von 8.000€. Damit kann man niemanden anstellen und gleichzeitig Projekte realisieren, das ist unmöglich. 

Kwasi: Seht ihr in Kärnten den politischen Willen diese Situation zu bessern?

Zeichen:  Die Basisdatenerhebung zeigt im Prinzip ein ähnliches Bild, wie viele andere Studien, beispielsweise jene zur sozialen Lage von Künstler*innen. Das prekäre Leben und Arbeiten ist ein großer Unsicherheitsfaktor und auch gesundheitstechnisch ein großes Problem. Die letzten Studien, die sich auf die Covid-Pandemie beziehen, drücken aus, dass viele Künstler*innen zu den bestehenden Leistungen keinen Zugang haben. Das prekäre Arbeiten und Leben hat sich durch die Pandemie weiter verschärft, weil man nun nicht einmal veranstalten und Eigeneinnahmen lukrieren konnte. So wurde man weiter von den Subventionen abhängig, die tendenziell sehr gering gehalten sind. 

Der politische Wille die Kulturförderungen zu erhöhen ist grundsätzlich vorhanden, allerdings erhöht man die dann tendenziell eher bei den von der öffentlichen Hand geführten Betrieben, sei es das Stadttheater Klagenfurt oder das Museum Moderner Kunst Kärnten. Tendenziell werden eigene Strukturen besser abgefedert, obwohl das jene Strukturen sind, die ohnehin über Dienstverhältnisse verfügen, bei denen die bestehenden Maßnahmen besser greifen. Die freie Szene und freie Kulturinitiativen werden vergessen. Da braucht es noch viel Sensibilisierung der politischen Entscheidungsträger*innen, um zu erkennen, welche Diskrepanz es zwischen staatlichen Kunstbetrieben und den freien Kunstbetrieben gibt und dass diese Schere immer weiter auseinandergeht. 

Alina Zeichen, IG KIKK Kärnten/Koroska  Alina Zeichen ist Vorsitzende der Interessensgemeinschaften der Kulturinitiativen in Kärnten/Koroška (IG KiKK). Seit 2008 ist sie im Bereich Organisation/ Koordination/ Dramaturgie in verschiedenen Theater/Tanzproduktionen, Kulturveranstaltungen, Kulturprojekten tätig.

Beitrag als Podcast:

Coverfoto: Stefan Reichmann